"Löst ihm die Binden und lasst ihn weggehen!"

"Lazerus, komm heraus!" - ruft Jesus mit lauter Stimme. Und er kommt heraus.
Diese Geschichte hat mich immer schon beeindruckt, als Kind schon.
Dem Jesus habe ich das einfach zugetraut, dass er Tote aus dem Grab holt.
Sie fasziniert mich immer noch, diese Geschichte.
Ich habe sie aber etwas anders verstehen gelernt.
Jeder Mensch kann zum "Lazarus" werden. Ich stelle ihn mir vor als einen, der mit seinem Leben nicht zurechtkommt. Seine Krankheit ist die Verzweiflung.
Wer die Verzweiflung kennt, weiß wie sehr sie das Leben einschränken kann.
Wenn die Lasten des Lebens einen erdrücken, wenn die Sinnlosigkeit jede Lebensfreude erstickt, wenn Schicksalsschläge einem den Atem rauben, wenn alles zusammenbricht, was bisher das Leben ausgemacht hat -
dann kann man schon so weit kommen, dass man sich "wie im Grab" fühlt.
"Lazarus, komm heraus!" ruft Jesus. Und er kommt heraus.
Es erfüllt sich an diesem Lazarus, was der Prophet Ezechiel den verzweifelten Menschen seiner Zeit ans Herz legt: "So spricht Gott, der Herr: Siehe, ich öffne eure Gräber und hole euch, mein Volk, aus euren Gräbern herauf. Ich hauche euch meinen Geist ein, dann werdet ihr wieder lebendig sein." (Ez37,12b-14)
Ich höre dieses Wort gerne. Gerade in unserer derzeitigen Situation:
"Ich hole euch heraus! Ihr werdet wieder lebendig sein!"
Ist es möglich, dass die "Grabesstimmung" sich wandeln kann?
Ist es möglich, dass das Leben einen neuen Aufschwung erfährt?
Ist es möglich, dass "gelöst" wird und von uns "abfällt", was uns nicht leben lässt?
Es ist möglich, sagt uns das Evangelium.
"Lazarus, komm heraus!" - Dieser Ruf gilt auch uns. Ich höre diesen Ruf nicht als Befehl. Eher als freundliche Einladung: "Komm heraus, das Leben ruft dich!"
"Löst ihm die Binden und lasst ihn weggehen!" - sagt Jesus zu den Leuten und auch zu uns. Das ist entscheidend an dieser Geschichte.
Das könnte auch unser Auftrag sein:
dass wir einander "herausrufen" aus unseren "Gräbern", dass wir "die Binden lösen", die uns am Leben hindern. So können wir uns neu "ins Leben wagen."
"Ich hole euch heraus aus euren Gräbern.
Ich hauche euch meinen Geist ein, er macht euch wieder lebendig!"
- so spricht Gott. Wir dürfen ihm vertrauen. Und dieses Vertrauen wird uns stärken, gerade in dieser schweren Situation, die wir jetzt zu bewältigen haben.
"Manchmal feiern wir mitten am Tag ein Fest der Auferstehung", heißt es in einem Lied. Solche Erfahrungen der "Auferstehung" sind möglich.
Ich wünsche sie uns allen!